Formelle Unwirksamkeit einer Betriebskostenabrechnung

2019-01-18 01:00 von Tino Ingwerth








AG Chemnitz, Urteil vom 17.01.2019, Az.: 21 C 623/18

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.520,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 07.06.2018 sowie weitere 233,24 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 07.06.2018 zu zahlen.

2. Die Widerklage wird abgewiesen.

3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

5. Streitwert: bis 3.000,00 €

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem mittlerweile beendeten Wohnraummietverhältnis.

Die Klägerin war Mieterin von Wohnräumen im Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts Chemnitz, der Beklagte trat als neuer Eigentümer in das Mietverhältnis, welches zum 31.03.2015 beendet wurde, ein.

Der Beklagte rechnete über die Betriebskosten für das Jahr 2014 mit Schreiben vom 23.10.2015 (Anlage K2) ab; diese Abrechnung wurde nachfolgend mehrfach korrigiert, streitgegenständlich ist die Abrechnung vom 09.12.2015 (BI. 32 d. A.).

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Abrechnung bereits formell unwirksam sei. Die Klägerin macht darüber hinaus materielle Fehlerhaftigkeit geltend; wegen der Einzelheiten wird auf die Klageschrift sowie den weiteren Schriftsatz vom 26.07.2018 Bezug genommen.

Die Klägerin meint, nach Ablauf des Abrechnungszeitraumes und Beendigung des Mietverhältnisses im Hinblick auf die formell unwirksame Abrechnung der Gegenseite Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Betriebskostenvorauszahlungen zu haben; sie beantragt wie folgt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 2.520,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin als weitere Nebenforderung einen Betrag in Höhe von 233,24 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Widerklagend beantragt der Beklagte,

die Klägerin/Widerbeklagte zu verurteilen, an den Beklagten/VViderkläger 75,76 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.02.2016 zu zahlen.

Hierzu beruft sich der Widerkläger auf die Abrechnung vom 25.11.2015, welche nach Abzug weiterer Positionen eine Zahlungspflicht der Widerbeklagten in geltend gemachter Höhe begründe (Schriftsatz vom 11.12.2018, BI. 110f. d. A).

Die Widerbeklagte beantragt

die Abweisung der Widerklage.

Zur Verteidigung verweist sie auf ihre Darstellung zur Begründung des klägerischen Anspruchs.

Wegen des Parteivorbringens im Übrigen und hinsichtlich der jeweils vertretenen Rechtsauffassungen wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze Bezug genommen; ergänzend wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet, die Widerklage bleibt ohne Erfolg.

a)

Klage

Die Betriebskostenabrechnung des Beklagten vom 23.10.2015 ist auch in der streitgegenständlichen Fassung vom 09.12.2015 formell unwirksam.

Wesentlich ist hier, dass sich aus der Abrechnung für mehrere Positionen der Umlageschlüssel nicht ergibt und auf - jeweils nicht beigefügte - Belege verwiesen wird.

Die Abrechnung vom 09.12.2015 ist deshalb keine aus sich selbst heraus verständliche geordnete Zusammenstellung der Kostenarten samt Umlageschlüssel unter Angabe der auf den Mieter entfallenden Zahlungen unter Berücksichtigung der geleisteten Vorauszahlungen; die Abrechnung ist vielmehr hinsichtlich der Positionen Grundsteuer, Legionellenprüfung, Müllbeseitigung und Heizung/Wasser/Warmwasser unvollständig/unverständlich.

Streitfrei ist der Klägerin innerhalb der gesetzlichen Abrechnungsfrist keine - eine! - vollständige Betriebskostenabrechnung zugegangen; der Mieter ist nicht gehalten, sich aus - wie vielen eigentlich? - nachgereichten Schriftsätzen alle in rechtlicher Hinsicht erforderlichen Unterlagen für seine eine Betriebskostenabrechnung zusammenzusuchen (Sternel, Mietrecht, Abschnitt V Rdn. 312 verweisend auf LG Kiel, WuM 1996, 631).

Da die formelle Wirksamkeit einer Betriebskostenabrechnung nicht teilbar ist, erfassen die Mängel hinsichtlich vorgenannter Positionen die formelle Wirksamkeit der gesamten Abrechnung; die dieserhalb unwirksame Abrechnung begründet nach Ablauf des Abrechnungszeitraumes und Beendigung des Mietverhältnisses den Klageanspruch auf Rückzahlung sämtlicher geleisteter Vorauszahlungen.

Die insoweit streitgegenständliche Zahlungsklage mit einem Streitwert von 2.520,00 € trägt auch die weitere Verurteilung des Beklagten hinsichtlich der Kosten vorgerichtlicher Rechtsverfolgung. Der streitentscheidende und inhaltlich erfreulich schlanke Verweis auf die formelle Unwirksamkeit der Betriebskostenabrechnung begründet sicher keine 2,2-Geschäftsgebühr; hierauf kommt es aber des Streitwertes wegen nicht an, weil die volle Schwellengebühr ( vor Anrechnung ) allemal verdient ist und auch insoweit zur antragsgemäßen Verurteilung des Beklagten führt.

Die Klägerin kann darüber hinaus Zinsen gemäß §§ 280, 286, 288 BGB verlangen.

b)

Widerklage

Die Widerklage hat keinen Erfolg, weil der Widerkläger nicht innerhalb der Frist des § 556 Abs.3 BGB abgerechnet hat; er ist daher mit der im Wege der Widerklage verlangten Nachforderung ausgeschlossen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.

Anmerkung der Kanzlei: Das Urteil ist nicht in Rechtskraft erwachsen. Vor dem Berufungsgericht wurde ein Vergleich geschlossen.





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