Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen Verletzung der Räum- und Streupflicht

2019-05-17 17:31 von Tino Ingwerth






LG Chemnitz, Urteil vom 16.05.2019, Az.: 3 S 21/19

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Amtsgericht Döbeln, Zweigstelle Hainichen, vom 23.11.2018 - Aktenzeichen: 4 C 1175/17 -

abgeändert:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger EUR 1.334,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 02.02.2018 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger EUR 458,93 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 30.03.2017 zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden mit einer Quote von 2/3 zu ersetzen, die dem Kläger aus dem Unfall vom 21.01.2017 vor dem Grundstück N. in W. noch entstehen werden, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist.

4. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 255,85 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 02.02.2018 zu zahlen.

5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben die Beklagten als Gesamtschuldner 70 % und der Kläger 30 % zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

VI. Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird festgesetzt auf bis zu EUR 3.000,00.

Gründe:

I.

Gemäß § 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angegriffenen Urteils Bezug genommen. Diese sind im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Parteien zu ergänzen wie folgt:

Die Beklagten verfolgen den erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag fort. Die Feststellung einer allgemeinen Glättebildung sei durch das Amtsgericht fehlerhaft getroffen. Das Gericht habe lediglich eine einzelne Glättestelle festgestellt, weshalb es sich für die Beklagten um ein singuläres und nicht vorhersehbares Ereignis gehandelt habe. Des Weiteren habe der Beklagte am Morgen des fraglichen Tages gestreut, sei also seiner Verkehrssicherungspflicht nachgekommen. Das Amtsgericht habe schließlich das vom Kläger selbst eingeräumte Mitverschulden nicht berücksichtigt, welches mindestens mit 50 % zu bemessen sei.Der Kläger verteidigt das ergangene Urteil. Ein Mitverschulden sei insbesondere nicht eingeräumt.

Zu den weiteren Einzelheiten des jeweiligen Parteivorbringens sowie zu den gestellten Anträgen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Hauptverhandlungsprotokoll vom 16.05.2019 Bezug genommen. Eine Beweisaufnahme in II. Instanz ist nicht erfolgt.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Sie hat auch in der Sache teilweise insoweit Erfolg, als sich der Kläger ein Mitverschulden i.H.v. 1/3 anrechnen lassen muss.

Im Ausgangspunkt wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des amtsgerichtlichen Urteils gern. § 540 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO Bezug genommen.

Diese sind im Hinblick auf die Berufungsangriffe zu ergänzen wie folgt:

a) Im Hinblick auf die Beweiswürdigung gilt § 529 ZPO. Für die Berufung sind also nicht zweifelbehaftete Feststellungen des Ausgangsgerichts zugrunde zu legen. Solche Zweifel zeigt die Berufung nach Auffassung der Kammer nicht auf. Das Amtsgericht hat sehr ausführlich und nachvollziehbar dargelegt, weshalb die Aussagen der Zeuginnen B. und G. zweifelbehaftet sind und für die Überzeugung des Gerichts nicht zugrunde gelegt werden können. Diesbezüglich ist insbesondere nachvollziehbar, wenn das Gericht der einzigen, nicht materiell oder persönlich am Ausgang des Rechtsstreits interessierten Zeugin, die detailliert und eingehend den Sachverhalt geschildert hat, Glauben geschenkt hat.

b) Damit steht einerseits zugunsten des Klägers fest, dass es an der Unfallstelle glatt gewesen ist und er deshalb zu Sturz gekommen ist; andererseits ist nicht zugunsten der Beklagten bewiesen, dass der Streupflicht nachgekommen worden ist. Ergänzend ist hierzu noch darauf zu verweisen, dass zunächst mit der Klageerwiderung lediglich von einer einmaligen Streuung um 07:30 Uhr die Rede gewesen ist, während die von den Zeuginnen vorgelegte Erklärung dann eine weitere um 09:00 Uhr beinhaltet hat. Wenig nachvollziehbar ist, dass dies nicht von Anfang an behauptet worden ist. Sowohl für eine ausreichende Streupflicht, die bei Anlass unter Umständen mehrfach am Tag vorzunehmen ist, als auch für außergewöhnliche Umstände - „Glätteinsel" durch herabtropfendes Wasser - bleiben die Beklagten damit beweisfällig.

c) Im Hinblick auf die Höhe des Schmerzensgeldes gelten die Ausführung des Amtsgerichts. Es ist allerdings lediglich eine Teilforderung von zwei Dritteln zuzusprechen, sei es wegen anzurechnenden Mitverschuldens oder als Teilklage erstinstanzlich geltend gemacht. Insoweit ist der Schmerzensgeldbetrag zu korrigieren. Der Klageantrag zu Ziffer 1. basiert somit bereits auf der Geltendmachung von lediglich zwei Dritteln. Im Hinblick auf den Feststellungsantrag musste das Gericht prüfen, ob eine Mithaftung in Betracht kommt, weil die Glättestelle erkennbar gewesen ist: hiervon ist vorliegend auszugehen, da bei allgemeiner Glätte Anlass zu besonderer Vorsicht bestand, insbesondere bei dem behaupteten fehlenden Winterdienst, der ohne Weiteres erkennbar gewesen sein muss. Da also der Kläger den Unfall bei der erforderlichen Sorgfalt hätte vermeiden können, haftet er in Höhe einer Quote von 1/3 mit.

III.

Kosten: § 92 ZPO

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 708 Nr. 10 ZPO

Die Revision war in Ermangelung von Gründen gern. § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen.


Vorinstanz: AG Döbeln, Az.: 4 C 1175/17 siehe hier






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